Die Lady macht Geschichten
Aus dem Klappentext der deutschen Erstausgabe: In diesem Band haben Modesty Blaise (und natürlich auch Willie Garvin) wiederum Spaß daran, ihr Leben zu riskieren. Sie jagen Industriespione, räumen unter brutalen Guerilleros auf, bringen hochkaratige Verbrecher zur Strecke und lassen die Schauplätze ihrer Abenteuer in bester Ordnung zurück. Modesty-Blaise-Fans dürfen sich freuen: wenn die tödliche Lady oder einer ihrer Freunde in der Klemme sitzen, ist nicht einmal der abgebrühteste Leser vor Überraschungen sicher!
Eine halbe Stunde später stieg Tarrant an einer Parkuhr bei Whitehall in einen Jensen und setzte sich neben Modesty Blaise. Wieder einmal war er fasziniert davon, wie jung sie nach der Rückkehr aus höchst gefährlicher Lage immer wirkte, beinahe lächerlich jung. Er stellte sich vor, dass sie so vielleicht an dem Tag ausgesehen hatte, als Willie ihr zum ersten Mal begegnete, und da war sie kaum aus dem Teenageralter entwachsen. (…) Sie blickte ihn mit fragendem Lächeln an, und er erinnerte sich an den kleinen Strauß Veilchen, den er mitgebracht hatte. "Für Sie, meine Liebe", sagte er und überreichte ihn ihr. "Oh, vielen Dank. Sie sind sehr schön." "Mir ist nichts Besseres eingefallen", meinte Tarrant. "Das Besondere daran ist ihr Seltenheitswert. Sie stammen nicht von mir, sondern wurden aus dem Geheimfond finanziert. Es ist nie leicht, aus dem Geheimfond Mittel zu beziehen, weil der Premierminister seine Zustimmung erteilen muss, aber bei zwanzigtausend Pfund ist es leichter als bei zwei Shilling, und die hatte ich beantragt. Waverly wollte sie mir aus eigener Tasche bezahlen, aber ich bestand darauf. Ich wünschte, Sie hätten sein Gesicht sehen können." Sie lachte und hauchte Tarrant einen Kuss auf die Wange. "Sie sind genau das, was ich mir immer gewünscht habe. Ich lasse uns eine Vase dafür bringen, wenn wir im Claridge's sind. Halten Sie sie, während ich fahre." Sie ließ den Jensen an und stieß aus der Parkbucht zurück. Tarrant fragte: "Was tut Willie, um seine Sorgen zu vergessen?" "Er ist mit Mavis zusammen. Sie sind für ein verlängertes Wochenende nach Jersey geflogen." "Mavis?" "Ich kenne sie nicht, aber laut Willie ist sie ein sehr hochgewachsenes Showgirl mit mehr und ausladenderen Kurven, als man bei einem menschlichen Wesen für möglich halten würde. Nicht besonders klug, aber immer fröhlich und berstend vor Enthusiasmus. Er meint, es sei so, als ginge man mit vier Mädchen und einer Flasche Lachgas gleichzeitig ins Bett. Ich vermute, sie ist genau das, was er jetzt braucht." Tarrant seufzte verwirrt. "Sie sind eine Frau, und Willie gehört zu Ihnen", sagte er. "Warum um alles in der Welt sind Sie nicht besitzergreifender?" Er sah einen Anflug von Belustigung über ihr Gesicht huschen. "So sind wir eben", meinte sie geduldig. Die Augen nicht von der Straße wendend, grinste sie unvermittelt. "Aber wenn Mavis anfängt, mit ihm zusammen Leute über die Berliner Mauer zu katapultieren, könnte ich mich versucht fühlen, ihr die Kurven ein wenig zu plätten." Tarrant lachte. Er fühlte sich sehr glücklich. Es hatte zu regnen begonnen, aber für ihn schien heute die Sonne. "Ich glaube, soweit wird es nie kommen", meinte er.
Peter O´Donnell, Pieces of Modesty, 1972
Übersetzung: Peter Friedrich
|