Die Lady lässt es blitzen

12-Lässt es blitzenDie Lady lässt es blitzen

 

Aus dem Klappentext der deutschen Erstausgabe: Willie Garvin will seine neueste Freundin besuchen - und findet nur die Leiche des jungen Mädchens. Dieser Anblick ist das letzte, was er wahrnimmt, bevor er bewußtlos geschlagen und verschleppt wird.
Keine Frage, daß Modesty Blaise sofort Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um ihren getreuen Kampfgefährten Willie zu finden und zu retten. Bis Athen dringt sie mit ihren Ermittlungen vor, als die Leute der „Herberge der Rechtschaffenheit - so nennt sich zynisch die kriminelle Sekte - Kontakt mit ihr aufnehmen.

 

Thaddeus Pilgrim rührte einen Löffel gemahlenes Glas in die Schale mit dem Vogelfutter für die Dohle, dann hängte er die Schale sorgfältig in den Käfig zurück. Er erinnerte sich nicht mehr genau, wann und warum er beschlossen hatte, den Vogel auf diese Art zu töten, und er erwartete sich keine besondere Befriedigung von dem Ereignis. Es war lediglich ein kleines Szenario, das ihm unwillkürlich eingefallen war, und mittlerweile war er weit über den Punkt hinaus, an dem er solche Szenarien in Frage stellte oder sich Gedanken darüber machte, welche Motive ihnen zugrunde lagen.
"Wie interessant, Mrs. Ram", sagte er. "Man möchte beinahe sagen, wie außerordentlich interessant. Wenn Modesty Blaise nun in Athen ist, wie Sie berichten, scheint dies anzudeuten – obwohl man sich natürlich vor voreiligen Schlüssen hüten sollte – es scheint, wie ich sagte, scheint anzudeuten, dass sie der Spur unseres – äh, unseres Gastes Mr. Garvin soweit gefolgt ist."
(…)
"Nach eingehendem Studium von Dossier", verkündete sie, "dessen Kopien von Salamander Vier Organisation zum Preis von fünfzehntausend Dollar geliefert wurden, gibt Dr. Tyl Zuversicht Ausdruck, dass es für Miss Blaise psychologisch unvermeidlich ist, bewusst in eine Falle zu gehen, um zu Mr. Garvin zu gelangen, und sich auf ihre Fähigkeiten und Erfahrung zwecks späterer Befreiung zu verlassen. Demzufolge erfordert Szenario lediglich, dass wir ihr entsprechende Möglichkeit anbieten."
"Unsere … äh, unsere Falle zu betreten, Mrs. Ram?"
"Genau das, Dr. Pilgrim. Kontaktaufnahme muss subtil erfolgen, aber Dossiers haben uns Daten geliefert, Modesty Blaise Informationen via einer Quelle zukommen zu lassen, die sie für vollständig vertrauenswürdig hält." Sie sah auf ihr Klemmbrett. "Es gibt eine männliche Person namens Krolli, ein Grieche, der einer ihrer Unterführer zu Zeiten des Netzes war. Er ist nicht mehr in Verbrechen tätig, unterhält aber nach wie vor viele Kontakte. Modesty Blaise hat versucht, mit ihm Verbindung aufzunehmen, aber er war auf Geschäftsreise in Amerika und wird heute Abend zurückerwartet. Es ist sicher, dass sie ihn bitten wird, Neuigkeiten über Mr. Garvin zu beschaffen, und ich habe dafür gesorgt, dass entsprechende Hinweise Krolli von einer unter unserer Kontrolle stehenden Quelle innerhalb von achtundvierzig Stunden zugehen."
Mit den dünnen Ranken seines Geistes, die im Arbeitszimmer zugegen waren, überlegte Thaddeus Pilgrim, dass Mrs. Ram in gewisser Weise der Dohle ziemlich ähnlich war, und mit diesem Gedanken trieb die vage Spekulation einher, ganz absichtslos, welche Wirkung eine kräftige Dosis gemahlenen Glases auf sie haben könnte. "Nach allem, was Sie mir sagen", meinte er zögernd, "scheint es, dass es nicht falsch, vielleicht nicht einmal zu optimistisch wäre, wenn ich die Vollendung unseres kleinen Szenarios nun innerhalb von ein paar Tagen erwarten darf, liebe Dame."
Mrs. Ram lächelte. "Ich hoffe, Höhepunkt am Sabbat zu bewerkstelligen", sagte sie und berührte ihren Schenkel, wo sie vor langer Zeit das Brandzeichen als seine Akolythin empfangen hatte. "Um der alten Zeiten willen, Doktor."

Peter O´Donnell, Dead Mans Handle, 1985

Übersetzung: Peter Friedrich