Der durchlaufende Zeitungsstrip ist eine der schwierigsten Erzählformen überhaupt. Man hat jeden Tag nur maximal drei Bilder zur Verfügung, von denen man das erste braucht, um den Faden der Geschichte wieder aufzunehmen. Damit bleiben einem maximal zwei, um die Story voranzutreiben. Im Grunde muss jeder einzelne Panel so konzipiert sein, dass ein neu hinzugekommener Zeitungsleser jederzeit in die Erzählung einsteigen kann ...
"Es muss alle drei Bilder geschehen, also täglich. Jeden Tag braucht man einen kleinen Cliffhanger, und am Wochenende einen größeren."
Phillip Douglas, Autor von THE SEEKERS, in: Comic Media 10, 1973
"Wie bei allem anderen steht auch am Beginn eines Comicstrips die Idee. Daraus wird die Geschichte aufgebaut und mit Figuren bevölkert. Bis dahin ist der Vorgang derselbe, egal für welches Medium man arbeitet: Buch, Film, Schauspiel, Musical oder sonst etwas. Aber ab diesem Punkt unterscheidet sich die Vorgehensweise. Beim Comicstrip besteht der nächste Schritt aus der besonderen Technik, eine Geschichte zu schreiben, die in Standbildern erzählt wird. Dafür muss man exakt bestimmen, welche Szenen benutzt werden sollen, in welcher Reihenfolge sie ablaufen und was genau jedes Bild jeder einzelnen Szene durch eine Kombination aus Zeichnung und Worten vermitteln soll."
Peter O'Donnell, Death of a Jester, Titan Books 1987
John M. Burns: Zuerst lese ich das gesamte Script, dann noch einmal, wenn ich mit dem eigentlichen Zeichnen anfange. Ich bearbeite immer die Zeichnungen einer ganzen Woche, nicht jeden Tag einzeln. Die ganze Woche wird grob mit Bleistift skizziert und dann immer wieder verfeinert, bis endlich das Tuschestadium erreicht ist. Frage: Machen Sie das auf Skizzenpapier oder gleich auf Zeichenkarton? John M. Burns: Gleich auf Karton, wegen des Zeitfaktors, bis die Linien stimmen, die Schraffuren, die Schwarzflächen, die gesamte Komposition. Danach muss man eigentlich nur noch mit Tusche nacharbeiten. Frage: Nachdem die Bleistiftzeichnung fertig ist, arbeiten Sie an den schwarzen Flächen, den Schattierungen usw.? John M. Burns: Das wird alles schon in der Bleistiftphase angelegt. Meinem Gefühl nach sind meine Bleistiftzeichnungen so weit ausgeführt, dass jeder kompetente Zeichner mit einem vergleichbaren Resultat die Fertigstellung in Tusche übernehmen kommen könnte.
John M. Burns, Modesty Blaise Zeichner, in: Comic Media 10, 1973
Wenn ich sage, dass ich so gut zeichnen kann wie ein Dreijähriger, wäre das eine Übertreibung, aber ob ich ein Script schreibe oder einen Roman, ich visualisiere unablässig. Wenn ich also das Script für einen Comicstrip entwickle, halte ich mich erst einmal von der Schreibmaschine fern und skizziere auf DIN A4 Papier (soweit es mein schauderhaftes Zeichentalent zulässt) meine Vorstellung von jedem einzelnene Bild komplett mit Sprechblasen und Erzählkästchen.
Nachdem das geschehen ist, widme ich mich dem ersten Entwurf des Scripts, beschreibe jedes Bild und entwickle den Text für Sprechblasen und Erzählkästchen. Dieser Entwurf kann sich an manchen Stellen von der Zeichenskizze unterscheiden, denn ich überarbeite den Text gleichzeitig. Den ersten Entwurf lege ich dann erst einmal beiseite, damit ich ihn mir später unvoreingenommen noch einmal vornehmen und für die Endfassung aufpolieren kann.
Der Zeichner ist selbst ein kreativer Künstler, deshalb sind die Beschreibungen des visuellen Inhalts jedes Bildes im Script kein ehernes Gesetz. Wenn er zu zeichnen beginnt, stellt er vielleicht fest, dass ein anderer Blickwinkel als der beschriebene besser funktioniert, also macht er es so oder ruft im Zweifel an, um es mit mir zu besprechen.
Peter O'Donnell, Death of a Jester, Titan Books 1987
Am 510. Tag verlangte Peter O´Donnells Script ein Badmintonspiel. Jim Holdaway kannte sich damit anscheinend nicht besonders gut aus und zeichnete einen Squashball statt eines Federballs. O´Donnell stellte kurzerhand das ganze Bild auf Squash um.
Frage: John, wie kommen Sie zu Ihren Vorlagen, Bildern etc. John M. Burns: Ich arbeite viel mit einer Polaroidkamera. Frage: Ich nehme an, es wäre schwierig, mit lebenden Modellen zu arbeiten, außer Ihre Frau hat gerade nichts anderes vor? John M. Burns: Ich habe davon gehört, dass manche Zeichner mit lebenden Modellen arbeiten, aber da ist immer noch der Zeitfaktor, verstehen Sie.
John M. Burns, Modesty Blaise Zeichner, in: Comic Media 10, 1973
Jeder Zeichner hat ebenso wie ein Schriftsteller seine eigene Arbeitsweise. Ich weiß, dass der große Jim Holdaway immer erst auf Pauspapier zeichnete und die Zeichnung dann auf den Karton übertrug, bevor er mit Tusche weitermachte. Er meinte, das gäbe ihm die Möglichkeit, mit jedem Bild herumzuspielen und verschiedene Blickwinkel auszuprobieren, um die beste Wirkung zu erzielen. Er fügte auch den Text mit Bleistift ein und markierte die Umrisse der Sprechblasen, um sie in die Form und Größe zu bekommen, die er haben wollte, sodass sie Teil seiner Komposition waren.
Peter O'Donnell, Death of a Jester, Titan Books 1987
John M. Burns: Man muss die Bilder so zeichnen und entwerfen, dass Platz für die Sprechblasen ist. Sie sind immer im Vordergrund – und hier ist die Vorstellungskraft des Autors gefordert. Er muss wissen, wie seine Szene aussieht und wann seine Personen etwas sagen, damit man von links nach rechts liest.
John M. Burns, Modesty Blaise Zeichner, in: Comic Media 10, 1973
Für Romero muss das ganze Script ins Spanische übersetzt werden, bevor er mit der Arbeit beginnen kann. Er zeichnet dann die Bilder und überlässt es dem Schriftenmaler zu entscheiden, wo die Sprechblasen für die beste Wirkung angebracht werden, ohne ein wichtiges Teil des Bildes zu verdecken. Neville Colvin ließ die Sprechbasen getrennt auf Haftpapier anfertigen und brachte sie dann in die richtige Position, während er seine Zeichnung gestaltete.
Peter O'Donnell, Death of a Jester, Titan Books 1987
Nach Jim Holdaways Tod zeichnete Romero die letzten beiden, noch nicht ganz fertigen Panels, neu. Zwei unterschiedliche Auffassungen der gleichen Szene – doch beide funktionieren gleichermaßen gut. (Oben: Holdaway; Unten: Romero)
Wenn (Autor und Zeichner) nicht ein und dieselbe Person sind, wie meistens, bekommt man oft Fragen zu hören, die eine seltsame Vorstellung von unserer Zusammenarbeit offenbaren. Zum Beispiel so: "Zeichnen Sie auch die Bilder?" "Nein, ich schreibe das Script." "Ah … (einige Sekunden der Verblüffung, dann –) "Sie meinen, Sie schreiben die Worte in den Ballons?" "Nun, ja – aber wir nennen sie Sprechblasen, und es gehört schon ein bisschen mehr dazu." "Aber Sie machen nicht die eigentlichen Zeichnungen?" "Ich fürchte nein." (…) An dieser Stelle bekomme ich einen gehetzten Blick und versuche, das Thema zu wechseln.
Peter O'Donnell, Death of a Jester, Titan Books 1987
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